Die epidemiologischen Daten zu HIV und Aids in der Schweiz und der Welt zeigen ein differenziertes Bild: Während in westlichen Ländern bestimmte Gruppen besonders betroffen sind, sind es in vielen anderen Ländern die gesamte Bevölkerung. In vielen Weltregionen nehmen die Neuinfektionen ab. Doch gerade in westlichen Ländern wird zu wenig investiert, um die Ziele 2030 zu erreichen.

Die Weltgemeinschaft hat sich ein Ziel gesetzt: Keine HIV-Neuinfektionen und keine Erkrankung an AIDS mehr bis 2030. Entscheidend dafür ist, dass möglichst alle Länder der Welt die 95-95-95-Ziele von UNAIDS erreichen. Die Weltgemeinschaft kann das schaffen, wenn sie politischen Willen, die nötigen Mittel und die Stärkung der Menschenrechte vorantreibt.

HIV-Kaskade: 95-95-95

  • 95% der Menschen, die mit HIV leben, wissen das,
  • davon erhalten 95% lebensrettende HIV-Medikamente und
  • davon wirken bei 95% wirken die Medikamente so gut, dass HIV sexuell nicht übertragbar ist.

Beim Erreichen dieser Ziele werden weiterhin noch Millionen von Menschen auf der Welt mit HIV leben – und dank guten Medikamenten eine hohe Lebenserwartung haben. Ihre Gesundheitsversorgung und Lebensqualität ist entscheidend, damit die Übertragung von HIV nicht möglich ist. Deshalb gibt es auch die 10-10-10-Ziele für Menschen mit HIV:

  • in weniger als 10% der Länder darf ein politisches und gesellschaftliches Umfeld herrschen, das den Zugang zu Gesundheit beschränkt,
  • weniger als 10% der Menschen, die mit HIV leben, dürfen Stigmatisierung erfahren und
  • weniger als 10% der von HIV betroffenen Schlüsselgruppen dürfen Ungleichheit, Diskriminierung und Gewalt erleben.

Die Länder der Welt müssen sich an diesen Zielen messen lassen.

Situation in der Schweiz

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) publiziert jeweils im November die Zahl der HIV-Neudiagnosen des Vorjahrs. Folgende Zahlen beziehen sich auf Jahresbericht 2022 des BAG vom 27. November 2023.

Im Jahr 2022 wurden dem BAG insgesamt 372 neue HIV-Diagnosen gemeldet. Das sind deutlich mehr Meldungen als im Vorjahr (325 Fälle, + 14%). Die Fallzahlen 2021 lagen unter dem langfristigen Trend, was in Verhaltensänderungen und geringeren Testungen während der Covid-Pandemie begründet sein dürfte. 2022 war die Zahl der gemeldeten neuen HIV-Diagnosen nach wie vor tiefer, als drei Jahre zuvor (427), vor der Pandemie. Die 372 neuen HIV-Diagnosen entsprechen einer Inzidenz von 4.2 Fällen auf 100'000 Wohnbevölkerung. Die Analyse des BAG zeigt insbesondere, dass Männer, die Sex mit Männern haben, anteilsmässig weitaus am meisten von HIV und anderen STI betroffen sind. 70% der gemeldeten Fälle betrafen Männer, wobei keine Diagnosen bei trans und intergeschlechtlichen Personen gestellt wurden. Bei Männern war der häufigste Ansteckungsweg wie in den Vorjahren Sex mit anderen Männern, bei Frauen waren es heterosexuelle Kontakte. 2022 wie auch in den Vorjahren spielten Ansteckungen im Zusammenhang mit injizierendem Drogenkonsum nur noch eine geringe Rolle.

HIV-Labormeldungen

Nach Geschlecht und Testjahr seit Beginn der Testungen, 1985-2022

In den 1990er-Jahren waren es im Durchschnitt 1'300 Fälle pro Jahr. Eine wesentliche Grundlage dieses Rückgangs ist eine nachhaltige HIV-Kaskade, in der fast alle Personen mit HIV ihren Status kennen und rasch effektiv behandelt werden, so dass sie das Virus nicht mehr weitergeben. Es ist auch das Ergebnis einer jährlich stattfindenden STI-Testkampagne der Aids-Hilfe Schweiz, die erstmalig im Mai 2017 durchgeführt und seitdem in jährlichen Intervallen wiederholt wird. Auch die Präexpositions-Prophylaxe, (PrEP) hat zur Abnahme beigetragen. Ende 2022 haben sich mindestens 4'500 Personen, überwiegend schwule Männer, mittels PrEP vor HIV geschützt.

HIV-Kaskade in der Schweiz (2022)

  • Etwa 18'000 Menschen in der Schweiz leben mit HIV,
  • 93% (ca. 16'700 Menschen) wissen von ihrer Infektion,
  • 97% davon (ca. 16'200) haben Zugang zur HIV-Therapie und wiederum
  • 97% davon (ca. 15'600) haben keine nachweisbare Virenlast und HIV kann nicht mehr übertragen werden (U=U).

Quelle: BAG-Bulletin 48/2023

Aufgrund statistischer Hochrechnungen, bei denen berücksichtigt wird, dass Aidsfälle teils mit mehrjähriger Verzögerung nach der Diagnose gemeldet werden, geht das BAG davon aus, dass sich die Zahl der neuen Aids-Fälle bei etwa 60 bis 80 Fällen pro Jahr stabilisiert hat. Bei praktisch allen Aids-Fällen in der Schweiz liegt die HIV-Diagnose weniger als ein Jahr vor der Erkrankung – und deshalb konnte nicht rechtzeitig mit der Therapie begonnen und der Ausbruch von Aids verhindert werden. Aber selbst für diese Menschen besteht eine gute Chance, dass sich der Gesundheitszustand wieder verbessert, wenn sofort mit einer HIV-Therapie begonnen wird.

In der Schweiz ist die Betroffenheit von HIV je nach Bevölkerungsgruppe sehr verschieden. Es gibt Schlüsselgruppen – und manche Menschen gehören gleichzeitig mehreren an – bei denen HIV häufiger vorkommt. Die folgenden Personengruppen sind besonders von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen betroffen (BAG 2024):

  • Menschen, die mit HIV leben, sowie deren sexuellen Kontakte
  • Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben
  • Menschen mit Bezug zu Ländern, die eine erhöhte HIV-Prävalenz haben
  • Menschen, die Drogen injizieren, inhalieren oder sniffen
  • Kunden der Sexarbeit
  • Sexarbeiter:innen
  • Menschen im Freiheitsentzug
  • trans Menschen

Situation in der Welt

Die folgenden Informationen basieren auf Daten von UNAIDS (Fact Sheet und Update 2023) und basieren auf Angaben der Länder, Modellierungen und Schätzungen.

2022 infizierten sich etwa 1.3 Mio. Menschen auf der Welt mit HIV. 630'000 Menschen verstarben an Aids – obwohl diese Todesfälle heute dank antiviralen Medikamenten verhindert werden könnten.

HIV-Kaskade in der Welt (2022)

  • Etwa 39 Mio. Menschen auf der Welt leben mit HIV,
  • 86% (ca. 33 Mio. Menschen) wissen von ihrer Infektion,
  • 89% davon (ca. 29 Mio.) haben Zugang zur HIV-Therapie und wiederum
  • 93% davon (ca. 27 Mio.) haben keine nachweisbare Virenlast und HIV kann nicht mehr übertragen werden (U=U).

Quelle: UNAIDS Update 2023

Die Situation in den Ländern ist sehr verschieden – insbesondere, welche Bevölkerungsgruppen besonders von HIV betroffen sind. UNAIDS betrachtet Männer, die Sex mit Männern haben, Sexarbeiter:innen, trans Menschen, Menschen, die Drogen injizieren, sowie inhaftierte Personen als die fünf wichtigsten Schlüsselpopulationen, die überdurchschnittlich HIV betroffen sind und gleichzeitig oft erschwerten Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Denn ausserhalb afrikanischer Länder südlich der Sahara sind 80% der Neuinfektionen auf diese Schlüsselgruppen zurückzuführen, wobei auch in diesen Ländern rund 25% der Neuinfektionen in Schlüsselgruppen geschehen (UNAIDS 2016).

Es gibt auch Länder, wo die gesamte Bevölkerung von HIV betroffen sind. In diesen «Hochprävalenzländern» ist HIV endemisch und wird überwiegend heterosexuell übertragen. Die HIV-Prävalenz liegt bei Erwachsenen im Alter 15-49 Jahre bei mehr als 1%. Eine Zusammenstellung der Länder findet sich beim Robert-Koch-Institut oder auf UNAIDS.